Weltmeisterschaft der Senioren IV Standard in Nagano/Japan
Die Weltmeisterschaft am 14. Juli 2018 im 9000 km entfernten Japan bedeutete zwölf Flugstunden, hochsommerliche Temperaturen von 30 bis 40 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit, Reisen in einem Land mit gänzlich unbekannter Sprache und Schrift, anderes Essen und Gebräuche. Nach anfänglichem Zögern begeisterten wir uns für diese Idee und sind nun glücklich über dieses großartige Erlebnis.
Unser Veranstalter in Japan gab sich größte Mühe, den Tanzpaaren aus Übersee, womit auch wir gemeint waren, Hilfestellung bei der Anreise zu geben. Bei unserer Ankunft morgens um 6:35 Uhr am außerhalb Tokyos gelegenen Flughafen Haneda erwartete uns eine freundliche Japanerin. Sie begleitete uns bei der Durchquerung Tokyos bis zum Einstieg in den Superschnellzug Hokuriku Shinkansen am Verkehrsknotenpunkt Tokyo Station. Leider hatten wir unterwegs beim mehrfachen Umsteigen mit je zwei Koffern während der für Europäer unvorstellbaren Rush hour einen Reisepass verloren. Dank ihrer Vermittlung gelang es, den Reisepass aufzuspüren und mit nochmaliger Stadtdurchquerung am Flughafen abzuholen.
Die ca. 300 km Entfernung von Tokyo bis Nagano im Hokuriku Shinkansen dauerte knapp eineinhalb Stunden. Fantastisch gekühlt, sekundengenau, blitzsauber, mit reservierten Sitzplätzen, super bequem gepolstert und mit verstellbaren Rückenlehnen. Da kann die Deutsche Bahn noch viel lernen.
In Nagano hatten wir bis zum Turnier einen Tag Zeit, uns an die Zeitverschiebung von sieben Stunden zu gewöhnen. Das Wichtigste am Vortag war, unsere Tanzschuhe mit besonderen japanischen Absatzschonern ausstatten zu lassen, da ohne diese die Tanzfläche nicht betreten werden durfte.
Zur WM wurden wir morgens um 7 Uhr per Bus vom Hotel abgeholt und zu einer großen Sporthalle gebracht, wo wir beim Betreten unsere Straßenschuhe ausziehen mussten und dafür Pantoffeln bekamen. In der Sporthalle klebte etwa zwei Meter hinter dem Eingang auf dem Boden eine blaue Linie mit dem Hinweis „Shoes strictly prohibited". Für die Straßenschuhe lagen extra Plastiktütchen bereit. Bepackt mit Frack, Tanzschuhen und Turniergetränken nahm Wolfgang beim Schuhwechsel den Mund zu Hilfe. Wir hatten inzwischen gelernt, dass es ratsam ist, die eigenen Schlappen aus dem Hotelzimmer mitzubringen, sonst musste man die geliehenen Universalschlappen tragen, die schon Generationen trugen.
Das mit den Pantoffeln ist in Japan wirklich kompliziert. Vor der Toilette müssen diese Pantoffeln nämlich wieder gewechselt werden gegen spezielle Toilettenpantoffeln, die dort bereitstehen. Dafür war der Boden in der Sporthalle lupenrein sauber. Sollte doch einmal ein Strasssteinchen heruntergefallen sein, wurde es sofort von überall präsenten Reinigungskräften mit einer Art großer Fusselrolle vom Boden aufgenommen. Die Tanzfläche war perfekt präpariert, am Ende des Turniers sahen die Schuhsohlen noch aus wie neu.
Zum Turnier waren 114 Paare aus aller Welt angereist, darunter fünf Paare aus Deutschland. Als einziges deutsches Paar gelang es uns, bis ins Viertelfinale auf Platz 23 vorzudringen. Das japanische Publikum war sehr tanzbegeistert und applaudierte nach jedem Tanz. Wir waren dadurch motiviert, immer extrovertierter zu tanzen und uns beim Publikum zu bedanken. Zu unserer Überraschung erhielten alle Viertelfinalisten ein Preisgeld von umgerechnet knapp 200 € überreicht. Natürlich gab es bei der WM auch ein Maskottchen, eine große Comicfigur, die an einen Apfel erinnert. Bei der Hitze im Saal bei 36 Grad Außentemperatur und schwächelnder Klimaanlage war dieser Job sicherlich besonders hart. Es war eine insgesamt gelungene Turnierveranstaltung, die vom Veranstalter durch ein Rahmenprogramm mit traditionellen japanischen Sängern in japanischen Kostümen bereichert wurde. Am nächsten Tag nutzten wir die Gelegenheit, noch ein weiteres WDSF Turnier in Nagano zu tanzen. Es waren 68 Paare am Start. Wir verpassten nur knapp das Finale und wurden Siebte.
Nach diesen tänzerischen Höhepunkten gönnten wir uns noch sechs Tage Japanurlaub, bevor wir mit vielen Eindrücken die Heimreise antraten.
Angelika Scheuer